Vorstoß für Wasserstofftriebzüge rund um Braunschweig bedient vor allem Industrieinteressen – Fahrgäste hätten das Nachsehen

Pressemitteilung zu CDU-Forderungen nach Wasserstofftriebzügen im Gebiet des Regionalverbands Großraum Braunschweig

Der Fahrgastverband PRO BAHN möchte aus gegebenem Anlass seiner Forderung, die Bahnstrecken im südöstlichen Niedersachsen großflächig zu elektrifizieren bzw. als Übergangslösung alternativ batterieelektrische Triebwagen (sogenannte BEMUs) einzusetzen, Nachdruck verleihen. Er unterstützt damit das im vergangenen Jahr vorgestellte SPNV-Konzept 2030+ des Regionalverbands Großraum Braunschweig (RGB), der auch für den Schienenpersonennahverkehr in der Region zuständig ist.

Wie jüngst unter anderem der Braunschweiger Zeitung (Ausgabe vom 21.03.) zu entnehmen war, wünschen verschiedene regionale CDU-Mandatsträger, dass im jetzigen Dieselnetz zwischen Braunschweig, Hildesheim und dem Nordharz zukünftig Wasserstoffzüge fahren. Dazu gehören unter anderem der Landtagsabgeordnete Christoph Plett aus Peine sowie Michael Kramer, stellvertretender Vorsitzender der Verbandsversammlung des RGB. Sie verweisen zur Begründung einerseits auf die angespannte wirtschaftliche Lage im Alstom-Werk Salzgitter und darauf, dass in anderen Regionen auch Wasserstoffzüge eingesetzt würden. Gutachten, die wiederholt die schlechte Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffzügen nachgewiesen haben, zweifeln sie an.

PRO BAHN kritisiert insbesondere, dass es der CDU offenbar mehr um Standortpolitik geht als um die Verbesserung des Personenverkehrs auf der Schiene. Der Regionalvorsitzende Holger Klages erklärt dazu: „Es ist technisch eindeutig belegt, dass Wasserstoff einen dramatisch schlechteren Wirkungsgrad hat als Strom aus der Oberleitung. Bei Wasserstoff kommen ca. 25 % der eingesetzten Energie auf der Schiene an, bei reinen Elektrotriebwagen sind dies gut 90 %. Man benötigt also drei- bis viermal mehr Energie, um mit einem Wasserstoffzug dieselbe Strecke zurückzulegen, wie mit einem elektrisch betriebenen Zug. Dieser gewaltige Unterschied wird sich auch nicht nennenswert verkleinern, weil er durch das Antriebsprinzip bedingt ist.“

Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Wasserstoffzüge, die dazu noch eigene, kostenintensive Tankstellen benötigen, wesentlich teurer im Betrieb sind als Elektrozüge – so teuer, dass eventuell nicht einmal das heutige Nahverkehrsangebot finanziert werden kann, geschweige denn die geplanten Verbesserungen. Die Verkehrswende ist mit Wasserstoffzügen also nicht machbar. Hinzu kommt, dass der knappe Rohstoff zuallererst in der Industrie benötigt wird und eine Nutzung für die Bahn wertvolle Kapazitäten verbrauchen würde.

„Wenn die CDU nun auf Hessen und die Region um Bremervörde verweist, weil dort auch Wasserstoff eingesetzt wird“, fährt Holger Klages fort, „muss man ganz deutlich sagen, dass dies nicht nur unserer Einschätzung nach klar politisch und nicht verkehrstechnisch motivierte Entscheidungen waren. Andere Bundesländer wie etwa Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben anders entschieden und setzen flächendeckend auf Elektrifizierung und batterieelektrische Fahrzeuge als Übergangslösung. Diesem Beispiel sollte der Regionalverband folgen.“

Langfristig am wirtschaftlichsten – wodurch das bestmögliche Angebot für die Fahrgäste geschaffen werden kann – ist trotz der einmaligen Kosten für den Fahrdraht eindeutig eine Vollelektrifizierung. Wo sie nicht innerhalb der nächsten Jahre möglich ist, bedarf es einer Übergangslösung. Auch hier schneidet Wasserstoff schlecht ab, denn anders als batterieelektrische Fahrzeuge kann ein Wasserstofftriebwagen auf elektrifizierten Abschnitten nicht den Fahrdraht benutzen. Die Fahrdynamik, das heißt vor allem die Beschleunigung der am Markt verfügbaren Modelle ist zudem bei Wasserstoff bislang schlechter als bei BEMUs oder Elektrotriebzügen, weswegen Fahrzeitverkürzungen, das Einrichten neuer Stationen oder überhaupt das Einhalten knapper Fahrpläne zusätzlich erschwert werden. Eine etwaige Entscheidung für eine Elektrifizierung wäre demnach – entgegen den Mutmaßungen der CDU – kein politisches Manöver der rot-grünen Landesregierung, sondern schlichtweg den technischen Gegebenheiten geschuldet.

Malte Diehl, Landesvorsitzender von PRO BAHN, ergänzt: „Eine offenbar falsche Firmenpolitik, die bedauerlicherweise zu Kurzarbeit im Werk Salzgitter führt, darf nicht auf dem Rücken der Fahrgäste korrigiert werden. Selbst wenn man sich entgegen aller verkehrspolitischen Vernunft für Wasserstoff entschiede, bedeutete dies noch lange nicht, dass der Auftrag zu Alstom nach Salzgitter ginge. Die neuen Triebwagen müssten selbstverständlich europaweit ausgeschrieben werden. Übrigens stellt auch Alstom batterieelektrische Triebzüge her, die auch in Salzgitter gebaut werden könnten und für einen Einsatz in der Region aus verkehrlicher Sicht wesentlich besser infrage kämen.“ PRO BAHN erwartet im Interesse der Fahrgäste von der Politik in der Region eine Entscheidung, die nicht die Lobbyinteressen der Industrie bedient, sondern nach eisenbahnfachlichen Gesichtspunkten erfolgt.

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