Generalsanierungen der Deutschen Bahn werden dank fehlender Neubaustrecken auch Niedersachsen hart treffen

Am 15.07.24 begann mit der fünfmonatigen Vollsperrung der Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim die mehrjährige Phase der Generalsanierungen von rund 4.000 km Eisenbahn-Hauptstrecken durch die Deutsche Bahn AG. Auch im Norden wird in den nächsten Jahren viel gebaut werden, worunter die Bahnreisenden massiv zu leiden haben. Das wäre so nicht nötig gewesen, hätte Niedersachsen sich rechtzeitig für neue Gleise im Nordwesten eingesetzt. Leider lehnt das Land aber bis heute Neubaustrecken weiterhin wider besseres Wissen ab.

Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert die niedersächsische Landesregierung angesichts massiver drohender Störungen durch die hiesigen Generalsanierungen auf, endlich die richtigen Weichen zu stellen. Gegenüber Bahn und Bund soll für die bereits beschlossenen Ausbauten möglicher Ausweichstrecken, darunter Rotenburg – Verden, Nienburg – Minden und Langwedel – Soltau – Uelzen, größtmöglicher Druck gemacht und der Neubau von Bahnstrecken, namentlich zwischen Hannover und Hamburg sowie Hannover und Bielefeld, nicht länger behindert werden, damit das niedersächsische Eisenbahnnetz endlich auf die langfristig nötige Kapazität ertüchtigt wird.

„Mit der am 15.07.24 begonnenen Sanierung der Riedbahn zeigt sich die Wichtigkeit leistungsfähiger Umleitungsstrecken“, erklärt Malte Diehl die Situation zwischen Frankfurt und Mannheim. „Dort stehen mit den Strecken Mainz – Worms – Mannheim und Frankfurt – Darmstadt – Heidelberg ganz in der Nähe zwei ähnlich gut ausgebaute Strecken als Ausweichrouten zur Verfügung. Aber nicht einmal sie reichen aus, um den gesamten Fern- und Güterverkehr von der Riedbahn aufzunehmen. In Niedersachsen gibt es hingegen überhaupt keine brauchbaren Ausweichstrecken.“

Konkret plant die Bahn gemäß ihren Veröffentlichungen folgende Generalsanierungen, die Niedersachsen direkt betreffen:

  • 2027: Bremerhaven – Bremen; (Hannover -) Lehrte – Wolfsburg – Berlin
  • 2028: Bremen – Hamburg; (Hannover -) Nordstemmen – Göttingen; Uelzen – Stendal
  • 2029: Hamburg – Hannover; Bremen/Rotenburg – Verden – Wunstorf (- Hannover); (Hannover -) Lehrte – Groß-Gleidingen (- Braunschweig)
  • 2030: Bremen – Osnabrück; Osnabrück – Münster; (Bielefeld/Osnabrück –) Minden – Wunstorf (- Hannover)
  • Zudem wird der Bahnknoten Hannover durch den Umbau des Hauptbahnhofs in absehbarer Zeit massiv beeinträchtigt und vorübergehend in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt werden.

PRO BAHN hält die Generalsanierung nach zwei Jahrzehnten der Vernachlässigung zwar für ein geeignetes Mittel, die Infrastruktur der betroffenen Strecken wieder in einwandfreien Zustand zu versetzen und so die Störungsanfälligkeit zu minimieren. Gleichwohl prophezeien die Fahrgastvertreter massive Störungen im ganzen Nordwesten. So kann beispielsweise 2028 und 2030 nicht durchgehend auf der gewohnten Strecke von Hamburg über Bremen und Osnabrück nach Nordrhein-Westfalen gefahren werden. Die wichtigen Fernverkehrsknoten in Bremen und Osnabrück entfallen. Als Umleitung steht nur der Weg über Rotenburg – Verden – Nienburg – Minden zur Verfügung, der die Fahrzeit massiv verlängert. Außerdem ist die Strecke immer noch eingleisig, so dass statt des eigentlich für die kommenden Jahre geplanten Halbstundentakts im Fernverkehr wohl eher nur ein Zwei-Stundentakt angeboten werden kann – denn Güterzüge müssen auch noch durch.

Die Regionalzüge auf dieser Umleitungsstrecke dürften während der Generalsanierungen über viele Monate komplett entfallen. Dabei wurde zumindest für Rotenburg – Verden bereits 2015 der zweigleisige Ausbau beschlossen. Passiert ist nichts – auch dank mangelnden Einsatzes der Landesregierung. Noch schlimmer: Der Ausbau dieser Strecke könnte sich mit der Generalsanierung Hamburg – Hannover überschneiden. Dann wäre die Nord-Süd-Achse über Hannover in dieser Zeit praktisch komplett lahmgelegt, weil Rotenburg – Verden für Umleitungen nicht verfügbar wäre. Der Weg von Hamburg nach München wird dann vermutlich mit riesigen Umwegen über Köln oder Berlin führen und diese ebenfalls hochausgelasteten Strecken weiter strapazieren.

„Wäre die niedersächsische Verkehrspolitik parteiübergreifend nicht so unbelehrbar, was die Notwendigkeit von Neubaustrecken bei steigendem Bedarf angeht, könnten wir heute schon zwischen Hamburg, Hannover und Bielefeld neue Gleise haben. Sie könnten einen Großteil des Verkehrs während der Generalsanierungen aufrechterhalten und die Auswirkungen für die Fahrgäste auf ein akzeptables Maß begrenzen“, findet Landesvorsitzender Diehl. „Auch darüber hinaus wären sie bei spontanen Störungen, falls etwa ein Stellwerk an den alten Strecken ausfällt, sehr hilfreich gewesen.“ Wichtig wäre es hinsichtlich der Kapazität ebenfalls, beim aktuellen Reaktivierungsverfahren besonders auf die mögliche Netzwirkung der Kandidaten zu achten.

PRO BAHN vermutet, dass die Großstadt Bremerhaven 2027 sogar vollständig vom Personenverkehr abgeschnitten werden könnte. Infolge der Vollsperrung der Bremer Strecke stehen für den enormen Güterverkehr vom und zum Hafen nur zwei eingleisige, bis dahin nicht elektrifizierte Strecken nach Cuxhaven und Bremervörde mit denkbar geringer Kapazität zur Verfügung. Sie werden dann vorrangig genutzt werden müssen, um die vielen Güterzüge rund um die Uhr an- und abzufahren. Für Regionalzüge wird dann, ohne kurzfristige Ausbauten, kein Platz mehr bleiben. Mit Blick auf das drohende Verkehrschaos auf der Schiene im Nordwesten ruft der Fahrgastverband die Landesregierung daher auf, bereits jetzt aktiv an sinnvollen Lösungen mitzuwirken und alle kurzfristig möglichen Kapazitätssteigerungen noch umzusetzen. Diehl warnt diesbezüglich: „Man darf sich beim jetzigen Zustand des Bahnnetzes gar nicht ausmalen, was dann geschieht, wenn etwa die Strecke Bremen – Osnabrück gesperrt ist und sich gleichzeitig auf der Umleitung zwischen Minden und Nienburg ein Unfall ereignet, der die Strecke tage- oder wochenlang lahmlegt – wie jüngst mit der Huntebrücke bei Elsfleth.“

2 Kommentare

  1. Neben den „Generalsanierungen“ gibt es künftig auch normale Sanierungen und die ins Leben gerufenen Bau-Container der DB InfraGO AG. Letztere sorgen bei den EVU und Fahrgästen schon jetzt für Ärger, ja die NordWestBahn GmbH will sogar dagegen bei der Bundes-Netz-Agentur Klage einreichen.
    Der „Hammer“ aber für unsere Region wird wohl die geplante Vollsperrung des Abschnitt Bremen-Hude sein, der im Jahr 2025 für 19 Wochen eingeführt wird. Dann wird kein Personenverkehr auf der Schiene stattfinden, lediglich ein Pendelverkehr Oldenburg-Leer und nur noch die Verspätungsanfällige NWB RE 18 Wilhelmshaven-Oldenburg-Osnabrück verkehren. Die Güterzüge aus dem Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven und den Unterweserhäfen Nordenham / Brake werden jedoch die Schlupflöcher nutzen.
    Der genaue Termin steht jedoch nicht fest, wir werden aber nachfragen.
    Aber auch kleinere Arbeiten stehen auf dem Programm, so in Varel (Oldb) Arbeiten an der Straßenüberführung der Bahn, wobei auch Arbeiten an der Oberleitung stattfinden, wie die Bahn es in einem Zeitungsartikel gemeldet hat.

    1. Hallo Hans-Joachim, eine kleine Korrektur: Nach meinen Unterlagen geht es bei der Sperrung Hude – Bremen um das Jahr 2026. Spannend bleibt es trotzdem. Ich vermute mal, dass während dieser Zeit wieder einmal nahezu der gesamte Güterverkehr über Leer – Oldenburg umgeleitet wird und dafür ein Großteil des Personenverkehrs ausfällt – weil man es nach etlichen Jahren immer noch nicht geschafft hat, die Durchlässigkeit dieser Strecke auf den benötigten Stand anzuheben.

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