PRO BAHN zum SPNV-Konzept der LNVG: Quantensprung im Angebot, jedoch viele Fragezeichen zur Umsetzung

Am 11.06.2024 wurde das SPNV-Konzept 2030+ und 2040+ der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) vorgestellt. Es beschreibt den mittel- und langfristig Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) im von der LNVG als Aufgabenträger betreuten, flächenmäßig mit Abstand größten Teil Niedersachsens. Der Fahrgastverband PRO BAHN bezieht mit dieser Pressemitteilung Stellung dazu.

Für den Fahrgastverband PRO BAHN sind die jüngst vorgestellten Planungen der LNVG gegenüber heute ein Quantensprung, was das Zugangebot im SPNV angeht. Sollten sie tatsächlich so oder sehr ähnlich umgesetzt werden, würde dies Niedersachsen verglichen mit den anderen Bundesländern von einem der letzten Plätze weit nach vorne befördern. Besonders positiv ist hervorzuheben, dass quasi auf allen überregionalen Hauptstrecken ein exakter oder angenäherter Halbstundentakt vorgesehen ist. Damit verbessert sich die Verbindungsqualität gerade auf längeren Strecken deutlich: Es werden viele neue Direktverbindungen eingeführt, die Umsteigezeiten verkürzen sich, und bei Anschlussverlusten halbiert sich die Wartezeit.

Als ebenso positiv betrachten wir die Verdichtungen im Vorortverkehr zu den großen Ballungsräumen Hamburg, Bremen und Hannover, wo bislang ein attraktives Angebot für die kleineren Halte weitgehend fehlt. PRO BAHN lobt ausdrücklich, dass auch viele abgelegenere Strecken profitieren, die aber besonders den ländlichen Raum erschließen; auf ihnen soll zukünftig wenigstens ein Stundentakt angeboten werden – selbst auf der notorisch vernachlässigten Wendlandbahn.

„Mit den geplanten Angebotsausweitungen geht die LNVG teilweise sogar über die Planungen des aktuellen Entwurfs für den Deutschlandtakt hinaus“, lobt Malte Diehl, Landesvorsitzender von PRO BAHN, das Konzept. „Dazu gehören etwa die Halbstundentakte im Emsland sowie zwischen Bremen und Osnabrück, der Stundentakt zwischen Nienburg und Minden sowie die neue Linie Osterode – Göttingen. Zusammen mit dem Konzept 2030+ des Regionalverbands Großraum Braunschweig (RGB), das letztes Jahr mit dem Fahrgastpreis von PRO BAHN ausgezeichnet wurde, ergibt sich damit erstmals ein rundes Zukunftsbild für den SPNV in ganz Niedersachsen.“

PRO BAHN begrüßt auch die Aussage im Konzept, dass die LNVG sich, sollten Neubaustrecken in Niedersachsen gebaut werden, einem möglichen SPNV auf diesen Strecken nicht verschließen werde. Wir hoffen, dass damit langsam auch auf Landesebene ein Umdenken stattfindet und die bislang dogmatisch ablehnende Haltung der Landesregierung zu den dringend nötigen Neubaustrecken von Bielefeld und Hamburg nach Hannover überdacht wird. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen zeigen, wie SPNV auf Neubaustrecken nutzbringend für ganze Regionen aufgebaut werden kann.

Die Umsetzung des Konzepts würde zudem einen wesentlichen Schritt zur Elektrifizierung des Streckennetzes darstellen. Elektrischer Antrieb ist die langfristig kostengünstigste und umweltfreundlichste Antriebsart. Mit der geplanten kurzfristigen Elektrifizierung der Strecken Oldenburg – Osnabrück und längerfristig auch der Strecken Buchholz – Soltau – Bennemühlen, Langwedel – Soltau – Uelzen und Hildesheim – Bad Harzburg werden große Lücken im elektrifizierten Netz geschlossen. Der auszuweitende und zu vereinheitlichende Fahrzeugpool wird die Effizienz im Betrieb weiter steigern.

Neben all diesen positiven Seiten gibt es allerdings auch einige weniger erfreuliche Punkte. Besonders fehlt uns die Konzeption eines landesweiten, verbindlich aufzubauenden Busnetzes, das die Lücken zwischen den Bahnstrecken schließt. Die Einrichtung landesbedeutsamer Buslinien bleibt demnach freiwillig und somit der Willkür der Landkreise überlassen. Dass sich das Konzept nur zurückhaltend zum Thema Reaktivierungen äußert, ist schade, aber verständlich, da man dem Ergebnis des laufenden Verfahrens nicht vorgreifen will.

Für einzelne Landesteile gibt es zudem kaum Verbesserungen oder sogar Verschlechterungen. So soll einzig auf der Sollingbahn zwischen Bodenfelde und Northeim kein Stundentakt eingeführt werden, und aus Süd- und Nordharz entfallen die Direktverbindungen nach Göttingen, so dass der Anschluss an den Fernverkehr noch mehr Umstiege erfordert.

Als problematisch sieht das Konzept die oft mangelhafte Infrastruktur an, die besonders im Zulauf auf wichtige Knoten die Kapazität der vorhandenen Strecken begrenzt. Explizit benannt wird etwa der Knoten Osnabrück, dessen westliche Zufahrt dringend dreigleisig ausgebaut werden müsste. Aber auch anderswo, etwa zwischen Hannover und Bremen, ist mehr als fraglich, ob das Angebot wirklich erweitert werden kann, wenn keine neuen Gleise gebaut werden. Hinzu kommen die in Deutschland nach wie vor unerträglich langen Vorlaufzeiten bei Infrastrukturprojekten, die eine zeitnahe Umsetzung vieler Vorhaben unwahrscheinlich machen. Bei gleichzeitig zunehmendem Fernverkehr erwartet PRO BAHN, dass vielerorts spätestens nach der Ausbaustufe 2030+ Schluss sein wird, wenn sich beim Infrastrukturausbau nicht grundsätzliche Beschleunigungen und höhere Finanzmittel einstellen.

Dem Konzept fehlt leider auch ein klares Bekenntnis des Landes, die darin aufgeführten zahlreichen Angebotserweiterungen und Reaktivierungen zu finanzieren. Angesichts der angespannten Haushaltslage im Bund, die eine angemessene Erhöhung der Regionalisierungsmittel zur Bestellung des SPNVs unwahrscheinlich macht, müsste die Landesregierung hier ihre Verantwortung wahrnehmen und eigene Mittel beisteuern. „Als Fahrgastverband fordern wir seit langem, dass Niedersachsen mehr zu den Kosten des SPNV-Betriebs dazugibt. Andere Bundesländer, etwa Schleswig-Holstein, zahlen pro Kopf und Jahr ein Mehrfaches“, erläutert Landesvorsitzender Diehl. „Gleichzeitig zweckentfremdet Niedersachsen seit Jahren ca. 110 Mio. €, die es vom Bund für den Schienenverkehr erhält, um damit Schulbusverkehre zu finanzieren, die es eigentlich aus eigener Tasche zahlen müsste. Flösse dieses Geld jährlich in den Schienenverkehr, ließe sich damit bereits ein großer Teil des Konzepts umsetzen.“

2 Kommentare

  1. Mich wundert der Steckbrief der RB 40 Braunschweig – Helmstedt – Burg (b Magdeburg). Weder ist die Ausweitung des bisherigen 2-Std-Takts am Wochenende im Abschnitt Helmstedt – Magdeburg zum diesjährigen Fahrplanwechsel im Dezember erwähnt [könnte den Zugzahlen nach bereits im Szenario 2023 enthalten sein] , noch der ganztägige Halbstundentakt Braunschweig – Helmstedt, der aber im Entwurf zum Deutschland-Takt steht.

    Zudem frage ich mich, warum bei der angedachten Reaktivierung Helmstedt-Schöningen niemand auf die Idee zu kommen scheint, den Zug ab/bis Braunschweig laufen zu lassen (vor allem wenn man tatsächlich einen 30-Min-Takt BS-HE realisieren sollte). Die paar Kilometer zu elektrifizieren sollte kein großes Problem sein.

    Vielleicht hat ja jemand mehr Informationen für mich…

    1. Dazu habe ich leider auch keine gesicherten Informationen. Meines Wissens wird schon über einen Halbstundentakt Braunschweig – Helmstedt mit Verlängerung nach Schöningen intensiv nachgedacht. Das Reaktivierungsprojekt ist aber noch in einem frühen Stadium. Ich gehe davon aus, dass da noch etwas Bewegung im Konzept drin ist. Eine Elektrifizierung nach Schöningen halte ich nicht für nötig, weil dort auch BEMUs problemlos eingesetzt und bis Braunschweig durchgebunden werden können.

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