Niedersachsen muss mehr Verbindungen zum Deutschlandtakt anmelden – PRO BAHN legt Liste mit Verbesserungsvorschlägen vor

Arbeit am vierten Entwurf des Deutschlandtakts beginnt

Hintergrund: In den kommenden Monaten wird der vierte Entwurf des Deutschlandtakts erstellt, nachdem der aktuelle Entwurf bereits knapp drei Jahre alt ist. Der Deutschlandtakt ist der bundesweite Zielfahrplan für den gesamten Personen- und Güterverkehr auf der Eisenbahn im Bundesgebiet. Als lebendes Dokument wird er beständig erweitert und verbessert, um die Ziele der Verkehrswende zu erreichen. Aus den dafür angemeldeten Verbindungen werden die für die Umsetzung des Taktes nötigen Ausbauten der Infrastruktur abgeleitet, die dann von Bund und Ländern finanziert werden müssen.

Niedersachsen hat sich anders als Bremen, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen bei den Anmeldungen zusätzlicher Verbindungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) für den 2020 veröffentlichten dritten Entwurf des Deutschlandtaktes sehr zurückgehalten und nur das allernötigste an Verbesserungen eingebracht. Diese Verbesserungen reichen keineswegs aus, um die im rot-grünen Koalitionsvertrag bezüglich der Verkehrswende gesetzten Ziele zu erreichen.

Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert daher – auch angesichts des offensichtlichen Erfolges des Deutschlandtickets – einen Kurswechsel in der Vorgehensweise des Landes. Bislang wurden nur zusätzliche Verbindungen angemeldet, deren Finanzierung über die vom Bund bereitgestellten Regionalisierungsmittel für den Schienenverkehr als gesichert angesehen werden konnte. Landesvorsitzender Malte Diehl dazu: „In den neuen Entwurf müssen dagegen so viele Angebotsausweitungen eingebracht werden, dass die verkehrspolitischen Ziele absehbar erreicht werden können. Die Finanzierung des zusätzlichen Verkehrs kann nachgelagert geklärt werden, weil ohnehin nicht alle dafür nötigen Ausbauten zeitnah umgesetzt werden können.“

Gleichzeitig erwartet PRO BAHN, dass das Land auch bei der Finanzierung einen anderen Weg einschlägt. Die bisherige Praxis, einen Teil der Regionalisierungsmittel für die Finanzierung von straßengebundenem Personenverkehr, sprich: Buslinien, zu verwenden, muss enden. Die Regionalisierungsmittel sind für die Schiene gedacht und sollten ausschließlich ihr zugutekommen. Der Busverkehr darf darunter natürlich nicht leiden, sondern muss anderweitig finanziert werden. Für Niedersachsen beläuft sich der Betrag, der für den Straßenverkehr zweckentfremdet wird, immerhin auf gut 80 Mio. Euro jährlich. Davon lassen sich pro Jahr schätzungsweise ca. 7 Mio. Zugkilometer zusätzlich bezahlen. Zweitens muss das Land bereit sein, eigenes Geld in den Schienenverkehr einzubringen und bestimmte zusätzliche Verbindungen notfalls aus Landesmitteln bezahlen.

Bezüglich des Angebots hat PRO BAHN eine eigene Liste mit zahlreichen Wünschen für ein bedarfsgerechtes Angebot im Regionalverkehr erstellt, die auf der Homepage des Vereins abgerufen werden kann. „Wir hoffen, dass das Land diese Wünsche aufgreifen und wenigstens einen erheblichen Teil davon in die Planungen des vierten Entwurfs des Deutschlandtakts einbringen wird“, so Landesvorsitzender Diehl.

Diese Wünsche richten sich grob nach folgenden Leitlinien, die sich in ähnlicher Form bereits in den Einbringungen verschiedener anderer Bundesländer wiederfinden lassen:

  • Mehr Halbstundentakte: Bislang wurden nur auf wenigen Magistralen wie Hannover – Bremen Halbstundentakte für den Regionalverkehr angemeldet. Dies muss auch sonst überall dort geschehen, wo erhebliches Fahrgastpotential besteht oder die Hauptstrecke nicht alle Anschlüsse mit einem Stundentakt sinnvoll bedienen kann. Beispiele: Hannover – Hildesheim – Goslar – Bad Harzburg, Cuxhaven – Bremerhaven, RB Lüneburg – Hamburg
  • Schnelle und langsame Züge im Wechsel: Auf verschiedenen Strecken müssten eigentlich weitere Bahnhöfe reaktiviert werden. Dies ist aber mit den bestehenden Fahrplankonzepten inkompatibel, die nur eine stündliche Linie mit Halt an allen Stationen vorsehen, die durch weitere Halte zu langsam würde. Hier setzen wir uns für eine Angebotsausweitung ein, indem daraus je ein stündlicher Regionalexpress mit wenigen Halten und eine mindestens stündliche Regional- oder S-Bahn mit allen Halten gemacht werden, um weitere Bahnhöfe bedienen zu können. Beispiele: Wilhelmshaven – Oldenburg – Osnabrück (RE und Regio-S-Bahn), Stade – Cuxhaven (RE und RB)
  • Einplanung weiterer reaktivierter Strecken: Im aktuellen Entwurf sind für Niedersachsen nur die bereits in Arbeit befindlichen Reaktivierungen nach Salzgitter-Fredenberg und zwischen Buchholz und Maschen enthalten. Durch den Lenkungskreis Reaktivierung werden aber weitere Strecken dazukommen. Auch wenn noch nicht feststeht, welche Strecken tatsächlich reaktiviert werden, sollten möglichst viele von ihnen bereits mit einem Beispielfahrplan in den Deutschlandtakt aufgenommen werden, um für den Fall einer Reaktivierung eine gute fahrplantechnische Integration mit dem übrigen Verkehr sicherzustellen. Beispiele: Lüneburg – Soltau, Aurich – Emden, Bohmte – Bad Holzhausen
  • Berücksichtigung der geplanten Neubaustrecken: Auch wenn Niedersachsen weiterhin Neubaustrecken ablehnend gegenübersteht, zeigen die aktuellen Entwicklungen, dass es doch auf den Bau der beiden Strecken von Bielefeld und Hamburg nach Hannover hinausläuft. Dadurch ergibt sich die einmalige Chance, weitere Regionen im Nahverkehr an die Bahn anzubinden. Dies hat aber nur eine Chance auf Verwirklichung, wenn Niedersachsen für diesen Fall ein Fahrplankonzept mit RE-Zügen über die Neubaustrecken in die Planung einbringt. Gleichzeitig müssen die freiwerdenden Kapazitäten auf den Altstrecken für die Verdichtung des dortigen Angebots genutzt werden. Beispiele: Schneller RE Hamburg – Neubaustrecke – Soltau – Heidebahn – Hannover, Viertelstundentakt der S-Bahn zwischen Hannover und Wun-storf
  • Mehr Durchbindungen für umsteigefreie Verbindungen: Im Nahverkehr sollten dort, wo es fahrplantechnisch sinnvoll möglich ist, mehr durchgehende Verbindungen angeboten werden, indem zwei bestehende Linien zusammengefügt werden, weil Umstiege immer das Risiko eines Anschlussverlustes mit sich bringen und gerade auch Fahrgäste mit Gepäck abschrecken. Das gilt abseits der Hauptstrecken gerade auch für touristisch relevante und überregional bedeutsame Regionalstrecken. Bestimmte Verbindungen sollten auch bis zum nächsten Zentrum verlängert werden. Beispiele: Hannover – Goslar – Halberstadt – Halle, Paderborn – Ottbergen – Kreiensen – Bad Harzburg

Diese zusätzlichen Anmeldungen zum Deutschlandtakt sind auch wichtig, damit langfristig das zusätzliche Fahrgastaufkommen überhaupt bewältigt werden kann. Allein für das Deutschlandticket rechnet die Deutsche Bahn mit bis zu 17 Millionen Abonnenten – davon sechs Millionen Neukunden, die bislang keine andere Zeitkarte benutzen. Damit wird es in den schon jetzt zu wenigen Zügen gerade in den Stoßzeiten noch voller werden. Entlastung kann hier nur durch zusätzliche, gut integrierte Angebote geschaffen werden.

2 Kommentare

  1. Für Niedersachsens Westen auch von Pro Bahn nichts Neues:
    Die pro-Bahn-Empfehlungen sind für die Bahnnutzenden der Nord-Süd-Strecke im Westen nicht gut genug. Wenn ich es richtig sehe, betrifft nur Punkt N49 diese Emslandstrecke (Münster(Westf)-Emden). Weder ist die Einbindung des Emslandes in das S-Bahn-Netz Münsterland gelistet noch der konkrete Ausbau der einspurigen Emslandstrecke-Engstellen bei Dörpen/Küstenkanal und Leer/Leda-Brücke. Auch die Direktverbindung der Emslandstrecke nach Osnabrück (d.h. kein Umstieg in Rheine) bleibt sehr vage und es fehlt die eindeutige Aussage, die Strecke im Halbstundentakt zu befahren, letzteres schon, um künftig die Wartezeiten in Rheine zu vermeiden, die in Folge der schnelleren Verbindung Amsterdam – Berlin andernfalls entstehen. Das sind sämtlich keine revolutionären Punkte sondern seit langem Bestandteil der lokalen Debatte.
    Fazit: Die beschriebenen Lücken sind mehr als enttäuschend. Schade.

    1. Guten Tag Herr Koop,

      ich will gerne auf Ihre Kritikpunkte eingehen. Grundsätzlich ist zu beachten, dass den Vorschlägen immer ein ganz konkreter Fahrplanentwurf zugrundegelegen hat, in diesem Fall der dritte Entwurf des Deutschlandtakts von 2020. Für NRW legen wir zudem die Maßnahmen des Zielfahrplans 2040 zugrunde, wozu auch das S-Bahn-Netz Münsterland gehört. Alle genannten Maßnahmen bauen darauf auf und müssen ggf. fahrplantechnische Begrenzungen oder Rahmenbedingungen beachten.

      Wir fordern einen zweiten stündlichen Regionalzug zwischen Meppen, Lingen und Rheine, der nach Möglichkeit auch bis Münster oder Osnabrück durchgebunden werden soll. Ein exakter Halbstundentakt ist aber nur im Zulauf auf Rheine möglich und dort auch problematisch. Der RE60 nach Hannover soll in Rheine zur Minute ’54 abfahren (NRW-Konzept). Ein RE im Halbstundentakt träfe genau zur Minute ’56 in Rheine ein und könnte nicht durchgebunden werden bzw. würde den Anschluss verpassen. Insofern müsste die Ankunft aus Richtung Meppen einige Minuten früher geschehen, als es ein Halbstundentakt vorsehen würde, spätestens aber zur Minute ’47, damit bei Durchbindung nach Osnabrück auf den RE60 ein Anschluss nach Münster bestünde (ab Minute ’52) oder bei Durchbindung nach Münster eine freie Trasse. Zur Minute ’45 kommt in Rheine aber alle zwei Stunden im D-Takt der ICE aus Amsterdam an. Dort gibt es also auch einen Trassenkonflikt. Die Fahrplankonstruktion für diesen Regionalzug ist also alles andere als einfach und wird wohl auch Auswirkungen auf andere Linien haben. Deswegen halten wir es hier für geboten, keine zu strikten Vorgaben zu machen, außer dass es eine Durchbindung über Rheine hinaus nach Möglichkeit geben soll.

      Bezüglich der Durchbindung des RE60 über Rheine hinaus bevorzugen wir allerdings die Führung über eine neue Verbindungskurve nach Nordhorn und nicht nach Meppen, weil Nordhorn derzeit überhaupt nicht an das RE-Netz angeschlossen ist – trotz vergleichbarer Einwohnerzahl wie Lingen.

      Einen Halbstundentakt im Regionalverkehr auf ganzer Länge der Emslandstrecke sehen wir derzeit nicht. Für den nördlichen Abschnitt erscheint uns eine Verlängerung der Regio-S-Bahn aus Bremen über Leer nach Papenburg unter Ausnutzung der reichlich vorhandenen Wendezeit in Leer als sinnvollste Variante. Dies ist dem hohen Fahrgastopotential auf dieser Relation geschuldet, das deutlich höher ist als von Papenburg nach Emden.

      Eine Fortführung der S-Bahn Münsterland über das geplante Netz hinaus, sehen wir ebenfalls nicht, da das Emsland mit seinen großen Haltestellenabständen typisches Terrain für RE-Züge ist. (S-Bahn = Stadtschnellbahn)

      Ein zweigleisiger Ausbau der Leda-Brücke sowie des zweiten eingleisigen Abschnitts bei Dörpen ist für dieses Fahrplankonzept nicht zwingend erforderlich. Der erste Abschnitt ist nur ca. 1 km, der zweite ca. 4 km lang. Bei den vorgesehenen Zugzahlen im Personen- und Güterverkehr tritt hier keine Überlastung der Strecke ein. So wäre beispielsweise der Abschnitt bei Dörpen bei Halbstundentakt im RE-Verkehr, einem Zweistundentakt im Fernverkehr sowie drei Güterzügen pro Stunde immer noch deutlich weniger als 30 Minuten pro Stunde besetzt.

      Natürlich sind Sie auch herzlich eingeladen, bei uns mitzumachen und Ihre Sicht der Dinge einzubringen.

      Mit freundlichen Grüßen
      Malte Diehl
      Vorsitzender LV Niedersachsen/Bremen

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