Am gestrigen Sonnabend, 26.08.2023, fand in Bad Salzdetfurth auf Initiative der Lokalpolitik am Bahnhof die erste Mahnwache gegen die anhaltend schlechte Leistung von Start Niedersachsen-Mitte statt. Das Eisenbahnunternehmen, eine Tochter der Deutschen Bahn AG, bedient die durch den Ort verlaufende Lammetalbahn Hildesheim – Bodenburg (Linie RB 79), auf der es immer wieder zu erheblichen Zugausfällen kommt – wie auf auf dem übrigen Netz des Unternehmens, das auch die RB-Linien Bünde/Herford – Hameln – Hildesheim, Buchholz – Soltau – Hannover und Bremen – Soltau – Uelzen. Besonders letztgenannte Strecke sorgte in den vergangenen Wochen auch für erhebliche Negativschlagzeilen, weil Start dort ca. zwei Monate lang den Betrieb wegen fehlender einsatzbereiter Fahrzeuge ganz oder teilweise einstellen musste.
Über 100 unzufriedene Bürger Bad Salzdetfurths waren dem Aufruf gefolgt und hatten sich in der Mittagssonne am Bahnhof versammelt, um Redebeiträge von Initiator und Stadtratsmitglied Sören Hoffmann (Fraktion WuBS logisch), Bürgermeister Björn Gryschka und PRO-BAHN-Landesvorsitzendem Malte Diehl zu hören, die allesamt unterschiedliche Facetten der desaströsen Situation aufzeigten. Ratsmitglied Hoffmann ging vor allem auf die Konsequenzen für Schüler, deren Familien und Berufstätige ein. So müssten Eltern ihre Kinder oft ungeplant mit dem Auto zur Schule fahren, weil auch in der morgendlichen Hauptverkehrszeit immer wieder Züge ausfielen. Gerade bei Prüfungen sei dies kritisch, zumal die nötigen Verspätungsbescheinigungen nicht leicht zu bekommen seien. Aber auch zahlreiche Arbeitnehmer ohne eigenen Pkw seien vom Wohlwollen ihrer Chefs abhängig. Hier müsse dringend für Besserung und auch Entschädigung für die zusätzlichen Kosten der Betroffenen gesorgt werden.
Bürgermeister Gryschka hatte indes eine Übersicht mit den tatsächlichen Zugausfallquoten aufbereitet und stellte diese vor: Nur in zwei Monaten seit Übernahme des Betriebs im Dezember 2021 seien weniger als 3 % der Züge ausgefallen; als gut könne die Leistung eigentlich erst bei 1,x % erachtet werden. In einem Monat seien sogar 25 % der Züge der RB 79 ausgefallen, während der Durchschnitt seit Übernahme durch Start fast bei katastrophalen 10 % liege. Er forderte erneut Besserung und ein stärkeres Engagement der Landespolitik bis hin zu einer möglichen Kündigung des Vertrages.
PRO-BAHN-Landesvorsitzender Diehl stieß ins selbe Horn und sagte, man habe den Glauben an die Fähigkeit von Start, einen stabilen Eisenbahnbetrieb anzubieten, verloren, weswegen man bereits vor einigen Wochen die Kündigung gefordert habe. Während alle Eisenbahnunternehmen unter Personalmangel litten, sei Start Niedersachsen-Mitte das einzige, das es nicht schaffe, genügend betriebsfähige Fahrzeuge vorzuhalten – trotz enormer Reserven. Die Zugausfallquote infolge technischer Probleme sei im vergangenen Jahr dreimal so hoch gewesen wie beim zweitschlechtesten Eisenbahnverkehrsunternehmen in Niedersachsen. Auch hätten andere Unternehmen, wie etwa Transdev, es in Krisensituationen geschafft, sich eigenständig vorübergehend weitere Fahrzeuge auf dem Markt zu besorgen. Gerade auf dem Lande sei bei ohnehin dünnen Fahrplänen die Zuverlässigkeit wichtig. „Die Verkehrswende gelingt oder stirbt auf dem Land“, sagte Diehl dazu.
Nach gut einer Stunde und einem Schlusswort von Ratsmitglied Hoffmann war die Veranstaltung vor bei, und die zahlreichen Teilnehmer gingen trotz des schönen Wetters mit gemischten Gefühlen nach Hause: Trotz Einladung durch die Initiatoren war nämlich weder vom Landkreis Hildesheim noch von der zuständigen Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (Aufgabenträger) noch vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium jemand erschienen. Es bleibt zu hoffen, dass die berechtigten Anliegen der Fahrgäste dort trotzdem ernstgenommen werden.
Wie zur Bestätigung der Redebeiträge und der geäußerten Forderungen fiel übrigens der letzte Zug am Abend kurzfristig aus.