Am 28.09.2024 berichtete das Kreiszeitung Wochenblatt, dass sich die zugesagte Reaktivierung der Bahnstrecke Bremervörde – Stade wahrscheinlich verzögere. Ursächlich seien mangelnde Planungskapazitäten bei der Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn AG, DB InfraGO, für das zusätzlich benötigte Bahnsteiggleis im Bahnhof Stade. Gleichzeitig weigere das Unternehmen sich, den EVB, die die Bahnstrecke reaktivieren wollen, die Planungen zu überlassen, damit es schneller geht. Für den Fahrgastverband PRO BAHN ist dieses Verhalten völlig inakzeptabel und deutet auf eine erhebliche Gefahr für das gesamte niedersächsische Reaktivierungsprogramm hin. Die Politik ist hier dringend gefragt, um diese und weitere Verzögerungen zu verhindern.
„In Niedersachsen befinden sich derzeit noch gut 20 Strecken in der Prüfung auf Reaktivierbarkeit, fünf weitere durchlaufen aufgrund offensichtlicher Eignung ein beschleunigtes Reaktivierungsverfahren, darunter Bremervörde – Stade und Lüneburg – Soltau“, erläutert Malte Diehl, Landesvorsitzender von PRO BAHN für Niedersachsen und Bremen, den aktuellen Stand. „Diese Strecken sind an sich zwar meist nicht-bundeseigene Infrastruktur, schließen aber in aller Regel mindestens an einem Ende an Infrastruktur an, die von DB InfraGO für den Bund verwaltet wird. Wenn es dann schon an einem kurzen Bahnsteiggleis in Stade scheitert, dann wird es auch bei anderen Strecken Probleme geben. Das dürfen das Land und die betroffenen Regionen nicht hinnehmen, wenn man es ernst meint mit den Reaktivierungen.“
Angesichts der anspruchsvollen Generalsanierungen, die insgesamt 4.000 Kilometer Hauptstreckennetz in den kommenden Jahren vollständig erneuern sollen, sieht der Fahrgastverband grundsätzliche Engpässe auf die Deutsche Bahn zukommen. In den letzten Jahrzehnten wurden, nachdem seitens des Bundes immer auf eine schlankere Bahn gedrängt und die für Ausbau und Erhalt des Streckennetzes nötigen Mittel nicht hinreichend bewilligt wurden, bei Deutscher Bahn und Bahnindustrie gleichermaßen Kapazitäten abgebaut. Diese kurzsichtige Politik droht sich nun, wo man einerseits das marode Kernnetz sanieren und andererseits vielerorts ländliche Bahnstrecken reaktivieren will, zu rächen. PRO BAHN fürchtet, dass aus politischen Gründen im Zweifel die zu reaktivierenden Strecken – nicht nur in Niedersachsen – den Kürzeren ziehen werden.
Malte Diehl ergänzt: „Politisch genießen die abgewirtschafteten Hauptstrecken die größte Priorität. Gleichzeitig darf es aber nicht sein, dass deswegen flächendeckend gerade die im ländlichen Raum wichtigen Reaktivierungen abgesagt oder verschoben werden müssen. Das gilt insbesondere für die Reaktivierungen, die große Lücken im bestehenden Netz schließen. In diese Kategorie fällt auch Bremervörde – Stade. Wir weisen ausdrücklich auch darauf hin, dass nicht bloß Reaktivierungen, sondern auch wichtige Einzelmaßnahmen an bestehenden Strecken, die nicht generalsaniert werden, von diesem Engpass betroffen sein können und werden. Zum Beispiel könnte es negative Auswirkungen auf Ausbau und Elektrifizierung der Strecken Cuxhaven – Stade und Oldenburg – Osnabrück geben.“
PRO BAHN Niedersachsen/Bremen stellt deswegen zwei Forderungen auf:
- Der Bund als Eigentümer von DB InfraGO muss dafür sorgen, dass die Planungskapazitäten dort so ausgebaut werden, dass jedes Jahr neben den geplanten Sanierungen, Aus- und Neubauten mehrere hundert Kilometer Bahnstrecken reaktiviert oder wiederaufgebaut werden können. Dazu werden gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und vieler Renteneintritte in den kommenden Jahren auch Sonderprogramme für mehr Personal erforderlich sein.
- Der Bund muss DB InfraGO verpflichten, dort, wo nicht genügend eigene Planungskapazitäten verfügbar sind, auch Dritte mit einschlägiger Expertise Planungen für DB-Infrastruktur zu übernehmen zu lassen. Das können wie im Beispiel der EVU andere Eisenbahninfrastrukturunternehmen sein, aber auch spezialisierte Beratungsfirmen.
Für den konkreten Fall Bremervörde – Stade wünscht PRO BAHN sich, dass die lokale und regionale Politik den nötigen Druck aufbaut, um eine rechtzeitige Planung und Umsetzung der Reaktivierung sicherzustellen.
Bezüglich des geplanten Fahrplans zwischen Bremervörde und Stade und der sich daraus ergebenden nötigen Baumaßnahmen ist für den Fahrgastverband allerdings nicht entscheidend, ob in Stade ein Anschluss an den Regionalexpress Cuxhaven – Stade – Hamburg oder an die S-Bahn Stade – Hamburg-Elbgaustraße hergestellt wird. Zentral ist der gute Übergang im Taktknoten Bremervörde von und zur Regionalbahn nach Bremerhaven. Wird dieser verfehlt, verliert die reaktivierte Strecke massiv an Attraktivität, weil die Regionalbahn nur stündlich verkehrt und lange Umsteigezeiten abschrecken. Von Stade kommt man aber teilweise sogar viermal stündlich nach Hamburg. Die Strecke nach Rotenburg, deren Reaktivierung derzeit ebenfalls geprüft wird, würde auch in den Bremervörder Taktknoten eingebunden werden.
Außerdem steht die Durchbindung der reaktivierten Strecke über Stade nach Himmelpforten im Raum. Hierfür soll ein neues Wendegleis in Himmelpforten und ein neuer Halt am Stader Klinikum geschaffen werden, was gemäß Gutachten die Fahrgastzahlen erheblich ansteigen ließe. „PRO BAHN unterstützt die Reaktivierung von Bremervörde über Stade einschließlich der geplanten Durchbindung nach Himmelpforten“, betont Landesvorsitzender Diehl. „Wenn aber schon der Wiederaufbau eines Gleises in Stade wegen DB InfraGO solch ein Problem ist, darf man gespannt sein, welches Drama bei den wesentlich umfangreicheren Maßnahmen für die Verlängerung folgt.“