Unbürokratisch alle verfügbaren Züge einsetzen, um Überfüllung zu vermeiden!

Ansturm auf Regionalzüge wegen 9-Euro-Ticket

Hannover, 15.05.2022

Inzwischen ist beschlossen, dass das sogenannte 9-Euro-Ticket für die Sommermonate Juni, Juli und August kommen wird. Der Verkauf soll laut Medienberichten am 23. Mai starten. Damit einhergehen wird nach Einschätzung zahlreicher Verkehrsexperten und auch unseres Fahrgastverbandes PRO BAHN ein Ansturm auf bestimmte, für den Tourismus oder Tagesausflüge sehr attraktive Linien. Dort werden die Nahverkehrs- und Regionalzüge deutlich stärker ausgelastet und ohne Gegenmaßnahmen zu bestimmten Zeiten und Tagen auch überlastet sein. Zurückgelassene Fahrgäste und mitunter sogar Zugausfälle sind ebenfalls zu erwarten.

PRO BAHN geht davon aus, dass in Niedersachsen und Bremen vor allem solche Strecken betroffen sind, die nur im Stundentakt oder seltener bedient werden und in beliebte Urlaubsregionen wie die Nordseeküste und den Harz führen, aber auch solche, die die größten Städte des Nordens verbinden und bereits jetzt nur unzureichend im schnellen Regionalverkehr bedient werden. Dies sind voraussichtlich mindestens:

  • Rheine – Osnabrück – Minden – Hannover (- Braunschweig);  RE60 – nur zweistündlich
  • Hannover – Celle – Uelzen – Lüneburg – Hamburg; RE3  – nur stündlich
  • Bremen – Verden – Nienburg – Hannover; RE1 bzw. RE8 – nur stündlich
  • Norddeich Mole – Leer – Oldenburg – Bremen; RE1 bzw. RE/IC56  – nur stündlich
  • Hannover – Hildesheim – Goslar – Bad Harzburg; RE10  – nur stündlich
  • Hannover – Göttingen; RE2 – nur stündlich ▪ Braunschweig  – Goslar/Bad Harzburg; RB42 bzw. RB43 – nur stündlich
  • Cuxhaven – Stade – Hamburg; RE5 – nur stündlich
  • Wolfsburg – Braunschweig –   Hildesheim; RB50 – nur stündlich
  • Goslar – Halberstadt – Halle; RE21 – nur zweistündlich

Es ist aber gut möglich, dass noch weitere Strecken betroffen sind. PRO BAHN ruft daher die Landesregierungen in Bremen und Hannover samt ihrer Aufgabenträger dazu auf, auf diesen und ggf. weiteren Linien umgehend unbürokratisch für Mehrverkehr zu den Nachfragespitzen zu sorgen. Zum Beispiel sollten Fahrzeuge, die unter der Woche für Verstärkerzüge im Berufsverkehr eingesetzt werden und am Wochenende pausieren, nun als Vor- oder Nachzüge zu überlasteten Einzelzügen dienen. Auf Strecken mit ganztägig hoher Verkehrsbelastung sollten die Verstärkerfahrten zeitlich so weit wie möglich ausgedehnt und zusätzliche Zugpaare angeboten werden. Auch sollten alle Züge mit möglichst vielen Sitzplätzen gefahren werden.

Auch wenn Niedersachsen und Bremen die Einführung des 9-Euro-Tickets nicht zu verantworten haben“, sagt dazu PRO-BAHN-Landesvorsitzender Malte Diehl, „müssen sie jetzt alles daransetzen, die zu erwartenden negativen Auswirkungen wie überfüllte Züge abzufedern. Dazu müssen beide Länder die ihnen rechtlich und technisch zur Verfügung stehenden Spielräume optimal ausnutzen. Auf vielen der genannten Strecken könnten problemlos weitere Züge verkehren, es muss nur sichergestellt werden, dass diese Leistungen in enger Abstimmung mit dem zuständigen Verkehrsunternehmen rechtmäßig vergeben werden.“ Geschehe dies nicht, erwartet Diehl teilweise chaotische Zustände wie nach der Einführung des Wochenendtickets in den 90er Jahren, als Massen von Reisenden auf viel zu kurze und viel zu wenige Züge stießen.

PRO BAHN bittet die Fahrgäste zudem, ihren Unmut bei überfüllten Zügen nicht am Personal der Verkehrsunternehmen auszulassen. Diese können und dürfen nur das fahren, was ihnen vertraglich bis ins kleinste Detail vorgegeben ist, und haben sonst keinen Spielraum. Zuständig für Länge und Anzahl der Züge sind allein die Bundesländer mit ihren Aufgabenträgern; auf einzelnen Strecken erlaubt die Infrastruktur auch nicht mehr.

Gleichzeitig sieht PRO BAHN auf vielen anderen Strecken abseits der genannten Routen kaum Veränderungen durch die günstige Fahrkarte: Wo das Angebot schlecht ist und bleibt, z. B. in der Lüneburger Heide und im Solling, bringt auch eine kostenlose Fahrt niemanden zur Bahn. Dabei ist der Ansatz, die in den letzten Jahren überdurchschnittlich gestiegenen Fahrpreise im öffentlichen Personenverkehr zu senken, durchaus richtig, sowohl für Einzelfahrscheine als auch für Zeitkarten. Es bedarf aber eines durchdachten, langfristigen Ansatzes hierfür, der auch die Angebotsseite und die Qualität insgesamt verbessert.

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