Ablehnung der Neubaustrecke verspielt zahlreiche Chancen für Niedersachsen

Bahnstrecke Hamburg – Hannover

Hannover, 03.02.2022

Der Fahrgastverband PRO BAHN, Landesverband Niedersachsen/Bremen, spricht sich vehement für die Umsetzung einer echten Neubaustrecke zwischen Hamburg und Hannover aus. Die Aussagen von Landesverkehrsminister Althusmann, der an dem völlig unzureichenden Ausbau der Bestandsstrecke gemäß Alpha-E festhalten will, bedauert er.

„Es scheint das oberste Ziel des Ministers zu sein, im Wahljahr die Diskussion um die verkehrlich dringend gebotene Neubaustrecke möglichst kleinzuhalten“, sagt Malte Diehl, Landesvorsitzender von PRO BAHN, dazu. „Dabei ist gutachterlich längst erwiesen, dass Alpha-E in der beschlossenen Form nicht ausreicht, um die nötige Kapazität auf der Strecke Hamburg – Hannoverzu schaffen. Eine darüber hinausgehende Verkehrswende, bei der sich der Marktanteil der Schiene wie gefordert verdoppelt, ist ohne Neubaustrecke nicht ansatzweise umsetzbar.“

PRO BAHN ist umso enttäuschter von der niedersächsischen Verkehrspolitik, als gleichzeitig der Autobahnbau mit den Milliardengräbern A 20 und A 39 weiter gegen jede ökologische und verkehrliche Vernunft forciert wird, während das neugegründete Bündnis Zukunft Schiene Nord offenbar nur ein Lippenbekenntnis ist.

Hinzu kommt, dass die Bahn im Konkurrenzkampf gegen das umweltschädliche Flugzeug nur bei möglichst kurzen Fahrzeiten und hoher Pünktlichkeit im Fernverkehr erfolgreich sein kann. Für die stark nachgefragte (und derzeit noch beflogenen) Relation Hamburg – Hannover – Frankfurt bzw. München ist diese Neubaustrecke neben den weiteren geplanten Neubaustrecken Fulda – Frankfurt und Würzburg – Nürnberg ein unverzichtbarer Baustein. Sie befördert durch die um mindestens 15 Minuten verkürzte Fahrzeit im Fernverkehr, verbesserte Anschlüsse und verringerte Verspätungsanfälligkeit massiv die Attraktivität der Bahn. Aber auch der Nahverkehr auf der Altstrecke profitiert von der freiwerdenden Kapazität, die einen durchgehenden, umsteigefreien Halbstundentakt mit erheblich kürzeren Fahrzeiten erlaubt, da Überholungen durch ICEs wegfallen.

Die Bundesregierung, der Hamburger Senat, die Deutsche Bahn AG und viele andere haben inzwischen erkannt, dass das Maßnahmenpaket von Alpha-E für Hamburg – Hannover ein fauler Kompromiss ist, um die verschiedenen lautstarken Bürgerinitiativen entlang der möglichen Neubautrassen ruhigzustellen, ohne dabei die berechtigten Interessen von Reisenden und Güterverkehrswirtschaft zu betrachten. Dementsprechend steuern die Entscheidungsträger im Bund um, und eine echte Neubaustrecke in einem der drei möglichen Trassenkorridore wird immer wahrscheinlicher. Wenn Niedersachsen weiterhin einseitig blockiert, ohne sich konstruktiv einzubringen, wird es die großen Chancen verspielen, die sich für den Schienenverkehr im Land aus dem Neubau ergeben.

„Bei der Neubaustrecke Hannover – Würzburg konnte die Anbindung Hildesheims und Göttingens nur deswegen durchgesetzt werden, weil die damalige Landesregierung sich massiv mit eigener Expertise und Argumenten in die Planung eingebracht hat“, erläutert Diehl und schließt daraus: „Wenn die Landesregierung nicht endlich in einen Dialog über eine Erweiterung von Alpha-E um die Neubaustrecke einsteigt, wird Niedersachsen abgesehen von der verkürzten Fahrzeit nicht von einer Neubaustrecke Hamburg – Hannover profitieren.“

PRO BAHN macht unterdessen konkrete Vorschläge, wie Niedersachsen den Nutzen der Neubaustrecke mehren könnte und welche Forderungen dazu an den Bund und die Bahn zu stellen sind:

  • Einrichtung von Unterwegshalten für einen schnellen Regionalverkehr mit bis zu 200 km/h analog zum erfolgreichen Nürnberg-München-Express: Bei einem Trassenverlauf im westlichen Korridor entlang der A 7 böten sich etwa Bispingen, Soltau und Bad Fallingbostel als Regionalbahnhöfe an. Dies würde die Fahrzeit von diesen Orten nach Hamburg und Hannover erheblich reduzieren.
  • Halt des geplanten ICE-Sprinters Hamburg – Köln in Langenhagen Mitte: Die bestehende Sprinter-Linie zwischen Hamburg und Köln soll zukünftig statt über Osnabrück über Hannover führen, aber wegen des zeitaufwendigen Kopfmachens am Hauptbahnhof vorbei über eine neue Verbindungskurve zur Strecke nach Bielefeld geführt werden. In Langenhagen Mitte wäre bei geeigneter Trassenführung ein Halt möglich, der durch seine Lage ganz neues Fahrgastpotential erschließen und die Fahrzeit kaum verlängern würde.
  • Weitere Verdichtung des Regionalverkehrs im Zulauf auf Hamburg und Hannover: Zwischen Hamburg und Lüneburg könnte die bestehende Regionalbahn auf einen dringend benötigten ganztägigen Halbstundentakt verdichtet werden. Zwischen Celle und Hannover könnte eine neue S-Bahn-Linie über Langenhagen zusätzlich zum Metronom und mit weiteren Halten eingerichtet werden, um Hannover besser zu erschließen.
  • Neue Direktverbindungen für Lüneburg und Uelzen: Durch den Abzug des ICE-Verkehrs auf die Neubaustrecke werdenzahlreiche Trassen auf der Altstrecke frei. Diese könnten für neue, schnelle Direktverbindungen im IC-Verkehr in Richtung Berlin und Magdeburg bzw. Leipzig genutzt werden. Durch Halte dieser Züge in Lüneburg und Uelzen könnte Niedersachsen erheblich gewinnen.

Dies alles wird Niedersachsen aber nur bei Kooperation statt Konfrontation erreichen. Im Interesse der Fahrgäste fordert PRO BAHN die Landesregierung auf, frühzeitig die neue Realität anzuerkennen und nicht aus wahltaktischen Gründen am untauglichen Kompromiss festzuhalten.

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