Sorgen Sie für den Erhalt des Reisezentrums im Oldenburger Hbf!

Offener Brief an den Oldenburger Oberbürgermeister und die Stadtbaurätin

Oldenburg, den 12.08.2025

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Krogmann,

sehr geehrte Frau Stadtbaurätin Schacht,

wir, die unterzeichnenden Verbände, wenden uns mit diesem Offenen Brief im Namen unserer Mitglieder und aller Bahnreisenden an Sie. Wir sind sehr besorgt darüber, dass noch immer keine Lösung für den Erhalt des Reisezentrums im Oldenburger Hauptbahnhof vorliegt, und fürchten, dass Fahrkarten im personenbedienten Verkauf ab 01.01.2026 nur noch in der Bahnhofsbuchhandlung erworben werden können – angesichts der Bedeutung und des Fahrgastaufkommens des Oldenburger Hauptbahnhofs ein unhaltbarer Zustand! Zeit genug wäre gewesen.

Wir sind auch sehr irritiert über die offensichtliche Taten- oder Hilflosigkeit der Oldenburger Verwaltung, obwohl die drohende Schließung bereits seit 2022 bekannt ist und übergangsweise nur mit finanzieller Unterstützung durch die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) abgewendet werden konnte. Die Stadtverwaltung hat nach einem Statusbericht im Jahr 2023 gut anderthalb Jahre gebraucht, um sich im März 2025 das erste Mal wieder öffentlich zu dem Problem zu äußern. Es wurde im Verkehrsausschuss damals nach langer Funkstille groß verkündet, dass man an einer gemeinsamen Lösung aller Beteiligten – Deutsche Bahn, NordWestBahn und VWG – arbeite, um eine Art Mobilitätszentrale für alle Fahrgastbelange von Bahn und Bus aufzubauen. Das hätte uns sehr gefreut.

Ende Juni hieß es dann auf Nachfrage in einer weiteren Verkehrsausschusssitzung, die NordWestBahn und die Deutsche Bahn stünden in Verhandlungen über eine Weiterführung des Reisezentrums in kleinerem Umfang, es sei aber noch nichts beschlossen. Die Stadtverwaltung präsentierte sich als unbeteiligter Zuschauer, auch von der VWG war keine Rede mehr. Beide Aussagen widersprechen sich offensichtlich und führen uns zu der Frage:

Welche Rolle spielt die Stadt überhaupt beim Erhalt des Oldenburger Reisezentrums? Wurden die Bürger in den letzten zwei Jahren bewusst im Unklaren gehalten, um Untätigkeit oder Konzeptlosigkeit der Stadtverwaltung zu verbergen?

Es ist an der Zeit, dass die Stadtverwaltung ihre Zuschauerrolle aufgibt und Sie, Herr Oberbürgermeister, die Rettung des Reisezentrums zu Ihrer Priorität machen.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass die jetzige Situation, in der die Deutsche Bahn sich vom Oldenburger Reisezentrum trennen möchte, erst durch das Handeln der öffentlichen Hand entstanden ist:

  • Der Bund hat mit der Bahnreform 1993/94 den Fernverkehr komplett liberalisiert und weigert sich bis heute, den De-facto-Monopolisten DB Fernverkehr AG hinsichtlich Angebot und Service aktiv zu steuern.
  • Gleichzeitig hat der Bund die Deutsche Bahn in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, deren einzige Aufgabe es nicht mehr ist, dem Allgemeinwohl zu dienen und die Daseinsvorsorge sicherzustellen, sondern Gewinn zu erwirtschaften.
  • Das Land Niedersachsen schließt über die LNVG Verkehrsverträge ab, die dem Auftragnehmer ein Monopol auf den Vertrieb von Nahverkehrsfahrkarten zusprechen. Dies ist in Oldenburg die NordWestBahn als Auftragnehmer des Verkehrsvertrags für die Regio-S-Bahn. Daher darf die Deutsche Bahn in Oldenburg nur noch Fernverkehrsfahrkarten verkaufen, so dass das DB-Reisezentrum Verlust erwirtschaften muss.

Diese Probleme müssen nach unserer Auffassung auch durch die öffentliche Hand im Interesse der Fahrgäste aufgelöst werden!

Gleichzeitig können weiterhin bestimmte Fahrkarten nicht online gekauft werden, z.B. für Auslandsfahrten oder Gruppenreisen. Und es gibt viele Reisende, die persönliche Beratung bevorzugen oder gerade im Falle von Störungen oder aus zahlreichen anderen Gründen benötigen. Es besteht also ein zwingender Bedarf für personenbedienten Verkauf und Beratung. Da im Oldenburger Umland bereits viele Verkaufsstellen aufgegeben wurden, ist das Oldenburger Reisezentrum auch eine wichtige Anlaufstelle für viele Fahrgäste aus Ostfriesland, der Wesermarsch und unserer Region geworden.

All das entfällt, wenn zukünftig nur noch ein sehr eingeschränkter Fahrkartenverkauf in der Oldenburger Bahnhofsbuchhandlung nebenbei stattfindet. Zigtausende Reisende werden effektiv vom Zugang zur Eisenbahn ausgeschlossen. Zugfahren nur noch für Menschen mit Smartphone und einfachen Reisewünschen – ist das die vielbeschworene klimafreundliche Verkehrswende?

Wenn zum Jahresende tatsächlich die Tür des Reisezentrums für immer schließen sollte, tragen Sie daran wegen Untätigkeit einen erheblichen Teil der Verantwortung.

Wir fordern daher von Ihnen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Krogmann, sehr geehrte Frau Stadtbaurätin Schacht, sehr geehrte Damen und Herren in der Stadtverwaltung, endlich Ihr gesamtes Gewicht in die Waagschale zu werfen, um sicherzustellen, dass die Verhandlungen zwischen NordWestBahn und Deutscher Bahn zu einem erfolgreichen Ende kommen und das Reisezentrum in angemessener, der tatsächlichen Nachfrage gerecht werdender Form fortbestehen kann. Für uns bedeutet das:

  • Ein zukünftiges Reisezentrum bietet weiterhin mindestens zwei bis drei Schalter an, an denen Kundenanliegen bearbeitet werden können.
  • Die Öffnungszeiten entsprechen mindestens den heutigen.
  • Es kann das gesamte Angebot an Nah- und Fernverkehrsfahrkarten verkauft werden.

Wir erwarten ferner von der Stadt, dass sie bereit ist, dafür auch einen jährlichen finanziellen Zuschuss zu leisten. Wie gesagt wurden die grundlegenden Probleme von der öffentlichen Hand geschaffen. Da ist es nur legitim und sicherlich nicht zu viel verlangt, wenn sich das Oberzentrum Oldenburg mit einem Betrag wie etwa 120.000 € pro Jahr[1] daran beteiligt, das Problem zu lösen. Eingedenk verschiedener millionenschwerer Großprojekte, die die Stadt in den kommenden Jahren schultern will, kann eine solche Summe keine ernsthafte Herausforderung für den Haushalt darstellen. Und sie zahlt klar auf die gewünschte Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs ein.

Schließlich muss die Stadt auch bei Land und Bund vorstellig werden, um gegen die fahrgastunfreundlichen Rahmenbedingungen anzugehen. Dazu gehört ein Verzicht auf Verkaufsmonopole im Nahverkehr in Niedersachsen und eine Mindestvorgabe des Bundes für den personenbedienten Verkauf im Fernverkehr, die über dem Ziel der Gewinnerzielung stehen muss.

Wir bitten Sie also eindringlich, Ihre Anstrengungen ganz wesentlich zu erhöhen. Bitte bedenken Sie: Täglich nutzen bis zu 25.000 Fahrgäste den Oldenburger Hauptbahnhof, von denen viele auf einen funktionierenden Service angewiesen sind und die jetzt schon unter der immer schlechter werdenden Qualität des Bahnverkehrs leiden. Und Fahrgäste sind auch Wähler!

Wir, die Unterzeichneten, verbleiben mit freundlichen Grüßen

für die Naturschutzbund Deutschland (NABU), Stadtgruppe Oldenburg  Rolf Grösch  
für den Verkehrsclub Deutschland (VCD), Regionalverband Oldenburg e.V.Jürgen Pieper    
für den Fahrgastverband PRO BAHN, Regionalverband Oldenburger Land/BremenMalte Diehl    
für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Stadtgruppe OldenburgSabine Reimer    
für den Bürgerverein Ofenerdiek e.V.  
 
Ernst Dickermann  
für den Behindertenbeirat der Stadt Oldenburg
Sabine Görg  
für den Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen e.V., Region OldenburgHildegard Stukenborg  

[1] 120.000 € entsprechen dem jährlichen Zuschuss der Stadt Oldenburg an den Fahrradverleih OLi-Bike, der im Jahr von weniger Menschen benutzt wird als der Oldenburger Hauptbahnhof an einem Tag.

Hier den Offenen Brief als PDF herunterladen

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